100 Jahre und kein bisschen veraltet

Wie mit Montessori-Pädagogik vieles in der Schule leichter werden kann

Vergangenen Freitag konnte der Montessori-Pädagogik Förderverein Heidenheim mit Renate und Andreas Hipp zwei  Koryphäen in diesem Bereich als Redner für das Elmar-Doch-Haus gewinnen. In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule bekam man in würdigem Rahmen einen wunderbaren Eindruck in eine Reformpädagogik, die einerseits in ihrem Erfolg bewundernde Sprachlosigkeit hinterlässt, von der aber auch viele Eltern zu wenig oder auch Falsches wissen.

Mit Vorurteilen und Halbweisheiten konnte das Ehepaar Hipp mehr als nur aufräumen, sind die beiden doch auch schon über 25 Jahre erfolgreich als Pädagogen und Dozenten in Sachen Maria Montessori für ganz Baden Württemberg unterwegs. Zu Beginn zeigte Andreas Hipp die Arbeit an seiner Grundschule in Konstanz auf, in der er seit 1989 dreizügig Montessori-Pädagogik als Schulleiter vertritt. Das besondere Lernmaterial, eine liebevoll gestaltete Lernumgebung und besonders motivierte Schüler wurden in Wort und Bild den Gästen vorgeführt und zeigten eindrucksvoll, wie Kinder in der 3. Klasse schon Wurzeln ziehen konnten sowie mit Brüchen umgingen. 

Dabei verwies er auch immer wieder auf die Schlüsselqualifikationen, die gerade bei Montessori-Schülern ausgeprägt sind und ohne die man im späteren Berufsleben kaum auskommt. Sei es bei Selbstmotivation, Selbstbewusstsein, sozialer Kompetenz, Selbststeuerung oder Empathie – stets stehen in diesen Bereichen Montessori-Kinder sehr gut da.

Für die Erzieherinnen und Erzieher unter den Gästen stellte Renate Hipp Material und Arbeitsweise in ihrem Kinderhaus vor. Dabei aktivierte sie die Zuhörer zum Mitmachen und machte deutlich, wie effektiv und einfach Montessori-Pädagogik auch schon im Kleinkind-Alter funktioniert. Durch die Freude am eigenen Tun, durch das Begreifen und selbsttätige Handeln baut das Kind sich selbst auf. Das Vorurteil, dass Montessori-Kinder in ihrer Freiheit tun und lassen, was sie wollen, verfliegt dabei schnell, denn Regeln, genaue Anweisungen und deren Befolgung sorgt beim Kind für Struktur und Organisation.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, warum Montessori-Pädagogik so wertvoll und zeitgemäß ist wie eh und je. Im Tun der Aufgaben verknüpfen sich beide Gehirnhälften. Das Jahrhunderte lang praktizierte „Stillsitzen“ und „Zuhören“ ließ nie die Sicherheit zu, ob der Lernstoff beim Schüler angekommen war oder er nur vor sich hingeträumt hat. Beim in die Hand nehmen der Lerngeräte wird der Lernstoff spielerisch und nachhaltig verinnerlicht. So mancher Erwachsene hätte sich dies zu seiner Schulzeit gewünscht.

Für die kosmische Erziehung hat die Stephansschule den gesamten Dachstuhl ausgebaut, um den Schülern Experimente mit Biologie, Technik, Astronomie oder Geografie zu ermöglichen. Beim Rundgang mit Gymnasial-Referendare hört Andreas Hipp oft den Kommentar: „Warum machen wir so etwas nicht am Gymnasium?“

In einem wiederkehrenden und doch prägnanten Umriss der Zeitgeschichte wird die Montessori-Pädagogik in Person von Pythagoras, Konfuzius bis hin zu Albert Schweitzer und David Precht immer wieder in Kommentaren lebendig und nachvollziehbar.

Und auch wenn das Ehepaar Hipp nicht unterwegs ist, um zu missionieren, so möchte es vor allem Ängste abbauen und Vertrauen wecken. Die Frage des Anfangs, was Prinz William und die Erfinder von Amazon, Google und Wikipedia gemeinsam haben, erübrigt sich. Wissen Sie es?

Auch auf die oft gestellte Frage von Eltern, ob Montessori-Pädagogik etwas für alle Kinder ist, bekommt der Kritiker die kluge und sympathische Antwort: „Montessori-Pädagogik ist für alle Kinder, aber nicht für alle Eltern!“

Volker Spellenberg

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