Eltern in der Pflicht

Beim Vortrag von Claus-Dieter Kaul in der VHS wird Tacheles geredet

 Vergangenen Donnerstag gastierte Claus-Dieter Kaul, einer der anerkanntesten Montessori-Pädagogen und Autoren in der Volkshochschule. Der Montessori-Förderverein und der Ortsverband der GEW luden zu diesem speziellen Abend ein und so war es kaum verwunderlich, dass der Vortragssaal aus allen Nähten platzte. Großes Interesse am Thema „Der andere Weg zur Siegermentalität“ bestand nicht nur bei ErzieherInnen und LehrerInnen, sondern auch zahlreiche Eltern erschienen, um sich näher mit dem Thema „Montessori-Pädagogik“ vertraut zu machen.

Nach einer kurzen Vorstellung seinerselbst und seiner mehr als bewegten Vita untermalte Kaul seinen Vortrag gleich zu Beginn durch Originaleinblendungen führender Hirn- und Erziehungswissenschaftler. Dass das Kind immer noch durch Tätigsein und Spiel lernen sollte, zeigen dabei nicht nur die von der MM-Pädagogik bespickten Bildungspläne. Auch sämtliche Bildungskonferenzen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass Beziehung,

Be-Greifen, Lernen mit Herz und Hand und die einhergehenden chemischen Vorgänge im Gehirn sowie die psychologischen Mittel der Lehrperson immer wichtiger bei Erziehung und Bildung werden.

Die Probleme des 21. Jahrhunderts liegen vor allem in den einfachen Dingen (wie funktioniert richtiges Händewaschen?) und sind aktueller denn je. Dass Maria Montessori dies schon vor über 110 Jahren erkannte ist nicht nur spannender Nebeneffekt ihres Tuns sondern bis heute vielleicht die Antwort auf unsere Frage „Wie lernt das Kind am besten?“

 

Kaul benennt dabei nicht unkritisch all die Faktoren, die heutzutage störend, fast sogar erschreckend und abzulehnen sind – Dreijährige, die mit dem Tablet groß werden, Eltern, die ihre Kinder in der Schule abliefern, dort nur das Beste verlangen, selbst aber zu Hause nichts dazu tun oder gar selbst als schlechte Vorbilder fungieren, helfen in der heutigen Lernkultur wenig, sind vielleicht sogar als die Motivationshemmer schlechthin zu sehen. Der Druck, der dabei aufgebaut wird – man kann ja heutzutage nur mit einem Abitur erfolgreich durchs Leben kommen – lastet auf Kindern, Familien und Pädagogen. Immer wieder verweist Kaul auf sein Umfeld, in dem es genügend „Schulversager“ gab, Nicht-Abiturienten oder Lernverweigerer, die es trotzdem geschafft haben und ihren Mann oder ihre Frau im Leben wunderbar stehen.

 

Bedauerlich hält Kaul, dass man es in Heidenheim nicht geschafft hat, eine Montessori-Sekundarstufe einzurichten, auch wenn die Anfänge mit Kindergarten und Grundschule außergewöhnlich gut sind. Genauso kreidet er immer wieder der Gesellschaft an, dass Kinder zu funktionieren haben und bei großem Bewegungsdrang oder Auffälligkeiten mit Medikamenten (eher Drogen) in die Spur gebracht werden. Er zitiert dabei Remy Largo, der Kinder mit echtem ADHS gerade mal auf 1 % der Diagnostizierten einschätzt. So fordert er, wissenschftlich belegt, mehr Zeit fürs Spiel, mehr Zeit für Beziehung zwischen Kind, Eltern und Lehrer und vor allem die Präsenz des Erwachsenen, der nicht autoritär, sondern eine Autorität sein sollte. In diesem Spannungsfeld lobt er immer wieder anhand von Beispielen die natürliche Neugierde des Kindes, das gerne lernen möchte und dabei im eigenen Tempo ohne Frust und Druck durch das Leben kommen soll.

 

Gar neidisch blickt Kaul auf unsere Schullandschaft in Baden-Württemberg. Immerhin kann man Montessori-Pädagogik an staatlihen Schulen erleben und die Gemeinschaftsschulen sind seiner Meinung nach die einzige richtige und gesunde Antwort auf den PISA-Schock, dem laut Kaul eh viel zu viel Bedeutung beigemessen wird.

 

Nach dem lebensnahen, unterhaltsamen und informativen Vortrag waren die Besucher zu einer Fragerunde eingeladen, die in eine rege Diskussion führte.

Volker Spellenberg (07.04.2017)

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